Melinda Nadj Abonji
Überfremd
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Diesen März hätte ich an einer Veranstaltung des Historischen Seminars in Bern teilnehmen wollen; Thema wäre die Schwarzenbach-Initiative gewesen, die vor fünfzig Jahren, am 7. Juni 1970, von den Schweizer Männern abgelehnt worden war. Aber nicht Schwarzenbach sollte im Zentrum stehen, sondern die Frage, wie die Italienerinnen und Italiener, als grösste «ausländische» Bevölkerungsgruppe, den Abstimmungskampf erlebt haben.
Endlich, dachte ich, wird in dieser Geschichte ein entscheidender Perspektivenwechsel vollzogen: Weg vom reichen, mächtigen Spross eines Textilimperiums, dem Redner, Politiker und Publizisten, dem Herausgeber von Büchern und Zeitungen, dem man aus mir völlig unverständlichen Gründen «Charisma» attestierte; dem Bewunderer von Mussolini, Salazar und Franco; der befreundet war mit dem Faschisten und Holocaust-Leugner Gaston-Armand Amaudruz und Franz Riedweg, einem der ranghöchsten Schweizer in der Waffen-SS; weg also von diesem gediegen auftretenden Scharfmacher, Antisemiten und Antikommunisten ... hin zu jenen Menschen, die bis zum heutigen Zeitpunkt kaum gehört worden sind mit ihren Erzählungen, Erlebnissen rund um die Abstimmung, aber auch ihren Kämpfen gegen die Initiative. Ihre Stimmen sind ganz offensichtlich auch fünfzig Jahre später noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Bittbriefe
Obwohl die «Überfremdungsinitiative» in meinem familiären Umfeld und meinem Freundeskreis immer wieder zur Sprache kam, war ich bereits vierzig, als mir schlagartig bewusst wurde, wie stark die gesellschaftspolitische Realität der Sechziger- und Siebzigerjahre auch mein Leben geprägt hat. Meine Mutter hatte mir ein paar Briefe gegeben und beiläufig angemerkt: Das könnte dich interessieren. Es war die Korrespondenz meiner Eltern mit der Fremdenpolizei, jener Behörde, die bereits 1917 explizit als Instrument gegen die «Überfremdung» erschaffen worden war – Bittbriefe, die der ehemalige Arbeitgeber meines Vaters für sie geschrieben hatte.
«Sehr dringlich» wird im ersten Schreiben vom 14. Dezember 1970 um die Aufenthaltsbewilligung für meinen Bruder und mich gebeten, da die Grossmutter in Jugoslawien zu alt sei, um für die Kinder zu sorgen. Der Arbeitgeber meines Vaters, ein Metzgermeister – der für ihn aus der Ich-Perspektive schreibt – verweist auf das gute Einkommen, die schöne Dreizimmerwohnung; die Voraussetzungen für ein geregeltes Familienleben seien damit gegeben. Bereits zwei Wochen später, kurz vor Neujahr, wird das Gesuch abgewiesen. Der Nachzug von Familienangehörigen ausländischer Arbeitskräfte bedinge eine ununterbrochene Anwesenheit des Familienoberhauptes von mindestens drei Jahren, so lautet die knappe Begründung.
Im zweiten Schreiben vom 19. Januar 1971, das der Chef meines Vaters auf das offizielle Briefpapier seiner Metzgerei tippt, bittet er wiederum um die Aufenthaltsbewilligung der Kinder – es handle sich um einen Härtefall. In seiner Argumentation streicht er heraus, dass Herr «Nad» ein «äusserst tüchtiger Angestellter» sei und betont, dass auch «seine Gemahlin» arbeite. Die Verhältnisse seien geregelt, das Einkommen meines Vaters erlaube es durchaus, die Kinder «standesgemäss» zu erziehen.
Eine Woche später wird auch die Wiedererwägung abgewiesen. In der Begründung wird klar, wie stark die Zeit von der «Schwarzenbach-Initiative» geprägt ist, obwohl sie bereits ein halbes Jahr zuvor abgelehnt worden war. Der zuständige Beamte der Zürcher Fremdenpolizei schreibt:
«Die Zulassungsfrist für Angehörige von ausländischen Arbeitskräften aus entfernteren Ländern beträgt drei Jahre. In Anbetracht der gegenwärtigen Überfremdung unseres Landes und des grossen Zuwanderungsdruckes von Angehörigen ausländischer Arbeitskräfte sind vorzeitige Familienzulassungen nicht vertretbar. Sofern die Kinder in Jugoslawien nicht mehr ordnungsgemäss untergebracht und betreut werden können, müsste der Mutter nahegelegt werden, zu diesem Zwecke in ihre Heimat zurückzukehren. Im Hinblick auf die rigorosen Massnahmen gegen die Überfremdung können persönliche oder humanitäre Gründe leider keine Berücksichtigung mehr finden.»
Wäre die Initiative angenommen worden, hätte ich vermutlich eine amtliche Begründung dieser Art erwartet (dann allerdings wären die Briefe nie geschrieben worden, weil meine Eltern mit etwa 300'000 anderen Menschen die Schweiz hätten verlassen müssen). So aber war ich auf eine unangenehme Art irritiert: Der Beamte verweist zwar auf eine der gesetzlichen Bestimmungen, die dreijährige Frist, die «die ausländischen Arbeitskräfte aus entfernteren Ländern» einhalten müssen, bis sie um die «Zulassung» ihrer Kinder bitten dürfen. Doch sein Fokus ist ganz offensichtlich die «Überfremdung». Und damit hatte ich nicht gerechnet: eine von jenen zu sein, an denen die «rigorosen Massnahmen der Überfremdung» vollzogen worden waren – um zu verhindern, dass ich und mein Bruder die Schweiz noch mehr überfremden.
Grammatik der Ausgrenzung
Fremd. Fremder. Überfremd. Mit dieser grammatikalisch unhaltbaren Steigerungsform (bitte nicht übernehmen!) arbeitet das Wort «Überfremdung»; «fremd» im pejorativen Sinne von seltsam, nicht vertraut, wird in der Kombination mit «über» zusätzlich verstärkt: das Fremde plus eine unbekannte grosse Anzahl, die womöglich schon bald zur Überzahl werden kann.
So entsteht im staubtrockenen Jargon eines Amtsträgers im Nu eine kleine dramatische Szene: Alle können es sehen, erkennen, wissen («in Anbetracht»), dass der unbekannte Feind, der bald in der Überzahl ist («Überfremdung»), das Vertraute, die Heimat bedroht («unser Land»). «In Anbetracht» unterstreicht der Beamte der Fremdenpolizei ausserdem mit der Wendung «im Hinblick»: eine doppelt offensichtliche Gefährdung also, die «die rigorosen Massnahmen» als legitim erscheinen lassen will. Indem der Beamte schreibt, indem, wie er schreibt, inszeniert er sich als Kämpfer, als Mitkämpfer gegen die Bedrohung durch eine unbekannte Masse. Mit der Wendung «unser Land» wendet er sich an den Schweizer Metzgermeister, verbündet sich mit ihm, erinnert ihn daran, dass ihr Land Opfer einer übermässigen Zuwanderung ist. Dementsprechend muss er meinen drei Jahre älteren Bruder und mich auch prachlich fernhalten: als «die Kinder in Jugoslawien» oder die «beiden jugoslawischen Kinder».
«Überfremdung» ist ohne Nationalismus nicht zu haben; Nationalismus als Droge und Illusion, dass man (in diesem Fall) als Schweizer regiert, herrscht. So verführerisch, weil es ausser dem Bekenntnis der Zugehörigkeit nichts braucht, keine besondere Leistung, keine Fähigkeit, kein verantwortungsvolles Handeln.
h hätte an jener Veranstaltung im März am Historischen Seminar der Uni Bern erzählt, dass ich die «fertigen» Wörter nicht akzeptiere, die im Umlauf sind, vor allem jene Begriffe, die die Repräsentanten der Macht gebrauchen, so, als wären sie schon immer da; als hätten sie keine konkrete Geschichte; als beschrieben sie «neutral» einen Vorgang (wie im Fall der «Überfremdung»).
Es gibt keine neutrale Sprache, und kein Wort existiert «an sich». Die nachvollziehbarsten Zeugnisse dafür sind die Wörterbücher. So erklärte der Duden im Jahre 1929 «Überfremdung» als «Aufnahme zu vielen ausländischen Geldes». Bereits fünf Jahre später befleissigte man sich, das «Eindringen Fremdrassiger» hinzuzufügen. Der aktuelle Eintrag im Duden glaubt dem Begriff mit seinen Varianten beizukommen, indem er sie nüchtern auflistet: «Überfremdung – das Überfremden, das Überfremdetsein.» Mit dem dazugehörigen Beispielsatz wird dann versucht, dem Begriff in seiner diskriminierenden Bedeutung didaktisch entgegenzuwirken: «Die Furcht vor Überfremdung (vor der Anwesenheit zu vieler dauernd hier lebender Ausländer) ist unbegründet.»
James Schwarzenbach, dessen politische Karriere auf diesem Begriff gründete, hätte Letzterem selbstverständlich widersprochen. Den Gefallen, ihn absatzweise zu zitieren, tue ich ihm nicht. Stichworte seiner «Überfremdung» sind «schleichende Krankheit, die Leib und Seele des aufrechten Schweizers befällt», ein «verheerendes Wildwasser», gegen das es einen «starken Damm» brauche. (Den Begriff in seiner feindlichen Ausdeutung hatte übrigens der Zürcher Armensekretär Carl Alfred Schmid geprägt; in seinem im Jahre 1900 erschienenen Aufsatz schrieb er von einer «so hochgradigen Überfremdung der Schweiz, dass ihre nationale Existenz nur durch ein Wunder denkbar» sei.) Den Beitritt zur UNO wollte Schwarzenbach mit allen Mitteln verhindern, da sie ein «korrupter Negerclub» sei. Und die «fremden Vögte», gegen die sich die Eidgenossenschaft wehren müsse, tauchten schon bei Schwarzenbach auf. Vier Jahre nach der verlorenen Abstimmung empfahl er sich der Nachwelt dann mit folgendem Buch: «Die Überfremdung der Schweiz – wie ich sie sehe.»
Blickwechsel
«Die Überfremdung» der Schweiz – wie ich sie sehe ... im Hinblick auf die Zeit der Schwarzenbach-Initiative:
Mein Vater kam im März 1969 in die Schweiz. Die Gründe waren vielschichtig. Im Zürcher Schlachthof, so erzählte er mir, salzte er Rinderhäute, «immer montags, so früh, dass es noch Nacht war.» Dienstag bis Samstag arbeitete er bei jenem Metzgermeister, der für meine Eltern die Bittbriefe an die Fremdenpolizei schrieb; oberhalb der Metzgerei hatte er ihnen ein Zimmer vermietet. Die Kosten zog er direkt vom Lohn meines Vaters ab. «Mein Chef liess mich monatelang im Glauben, er habe die Arbeitsbewilligung für mich beantragt.» Hatte er nicht. Die Schwarzarbeit machte meinen Vater zu einer lukrativen Arbeitskraft. 900 Franken, das war sein Lohn, ohne Papiere. Die anderen Metzger im Betrieb – Schweizer – verdienten 2100 Franken. Die AHV zog er ihm trotzdem vom Lohn ab. «Ein Arbeitskollege hat mich darauf hingewiesen, dass ich viel zu wenig verdiene.»
In den Akten der Fremdenpolizei ist vermerkt, mein Vater halte sich seit dem 28. Juli 1969 in der Schweiz auf. Ab dann war er also offiziell angemeldet. Fast ohne Worte (er konnte noch kaum Deutsch) stellte mein Vater seinen Chef zur Rede. Dann ging plötzlich alles sehr schnell, Arbeitsbewilligung, Lohnerhöhung. Und vermutlich Gewissensbisse beim Herrn Metzgermeister. Es dauerte drei Jahre und neun Monate, bis mein Bruder und ich in die Schweiz einreisen konnten. Vier zusätzliche Monate gingen aufs Konto des Metzgermeisters. «Weisst du, wie viele Tage und Nächte das sind?»
Meine Mutter war sechsundzwanzig, als sie im April 1969 mit einem grossen Koffer im Zug sass. Sie hatte alles verkauft, was sie und mein Vater besassen. Allein. Mein Vater war bereits in der Schweiz. «Als dein Bruder sah, wie die Möbel aus unserer Wohnung getragen wurden, schaute er mich an und sagte: Mami, was wird jetzt aus uns?» Meine Mutter arbeitete im Coop. Zuerst im Lager. Dann, «weil sie merkten, dass ich rechnen kann», an der Kasse. Ihr Handelsdiplom hatte sie übersetzen lassen –«brachte mir rein gar nichts». Ihr Lohn betrug 650 Franken, auch an der Kasse. Die Stelle war drei Jahre lang unkündbar. Die Frau, die im Lager Gemüsekisten sortierte, verdiente 950, als Schweizerin.
Aufbegehren? Unmöglich. Es war Schwarzenbach-Zeit. Niemand wollte Ausländern eine Wohnung vermieten. Aber eine richtige Wohnung (nicht nur ein Zimmer) war Voraussetzung für den «Familiennachzug». «Angemessene Wohnung», so hiess der dehnbare Begriff in Amtsdeutsch. Ein Türöffner für willkürliche Entscheidungen.
Die Wohnung, die meine Eltern dann fanden, war in einem Neubau. Miete: 670 Franken. Also übernahmen sie auch die Hauswartstelle. Meine Mutter putzte das Treppenhaus, mein Vater pflegte den Garten. Ihr gemeinsamer Lohn: 150 Franken monatlich. Der Vermieter, «ein bekannter Architekt», fand regelmässig Gründe, die Miete zu erhöhen. Zwei Jahre später, als mein Bruder und ich einreisen durften, kostete die Wohnung 942 Franken. Am Sonntag putzten meine Eltern eine Bank. Eine meiner ersten Erinnerungen: grosse, merkwürdige Räume im Halbdunkel. Stühle, die so leer aussahen. Pflanzen mit glänzenden, steifen Blättern. An die Einreise in die Schweiz können mein Bruder und ich uns beide nicht erinnern.
7. Juni 1970
Mein Vater nahm im Vorfeld der Abstimmung ein paar Tage unbezahlten Urlaub, fuhr nach Jugoslawien, versuchte sich auszudenken, wie es wäre, wenn. Wenn die Initiative tatsächlich angenommen werden würde. Wir also wieder zurückkehren müssten, dorthin! Zurück ist nie gut, wird er gedacht haben. Aber wohin sonst? Mein Vater schaute sich Wohnungen an, beratschlagte sich mit seiner Mutter, meiner Grossmutter, bei der ich und mein Bruder lebten. Wart’s ab, wird sie gesagt haben. Bringt nichts, sich vorher schon graue Haare wachsen zu lassen.
«Überfremdung»: Leben im Konjunktiv.
«Eine Schweinerei, diese Initiative», hatte eine Kundin zu meiner Mutter gesagt. Eine Opernsängerin. «Das hat gutgetan, ich hätte das ja nicht sagen können.» Und dann, am Tag der Abstimmung? «Keine Ahnung, wir haben gearbeitet.» Am Folgetag erfuhren meine Eltern das Resultat und waren erleichtert. Aber die Angst blieb, die Unsicherheit. Die Aufenthaltsbewilligung musste jedes Jahr erneuert werden. Zehn Jahre lang. Das war nur möglich, wenn man eine Arbeit hatte. Niederlassung, so hiess das magische Wort. Nach A und B endlich die C-Bewilligung, die Niederlassung. Das Alphabet des Ausländerrechts. «Das Gesetz über den Aufenthalt und die Niederlassung der Ausländer» aus dem Jahre 1931 ist ein ausgeklügeltes System der hierarchisch abgestuften Ausdifferenzierung. Festgeschriebene Sondergesetze für «Ausländer». Dass die Frauen in der Schweiz nicht einmal das Stimmrecht hatten, hätte meine Mutter nie gedacht.
«Familiennachzug». Meine Eltern wussten nicht, dass es so lange dauern würde. Dass die «Massnahmen» derart «rigoros» gehandhabt würden. Die Sprache der Bürokratie, eine unüberwindbare Wand: «Zulassungsfrist», «Zuwanderungsdruck», «ausländische Arbeitskräfte», «ordnungsgemäss», «gegenwärtige Überfremdung», «in Anbetracht», «im Hinblick». Hinter der Wand: zwei Kinder, mein Bruder und ich. Vor der Wand: meine Eltern. Sie sind, ich erfinde ein Wort, betreuungspflichtenbefreit, solange die Kinder nicht in der Schweiz sind. Sie können Tag und Nacht arbeiten, auch sonntags. «Anlässlich der Zulassung der Mutter hat sich der Vater unterschriftlich verpflichtet, auf den Nachzug der beiden Kinder zu verzichten», schrie der Beamte der Fremdenpolizei. Meine Mutter sitzt an der Kasse, tippt Zahlen ein. Einmal bricht sie ohnmächtig zusammen, als sie sieht, wie eine Mutter ihr Kind schlägt. «Familiennachzug» – ein Wort, das nie zu einem Ende kommt. Der Riss, der mit ihm verbunden ist, prägt unzählige Familiengeschichten.
Sprache ist nicht nur nicht neutral, sie ist auch nicht deskriptiv. Sprache ist Bedingung, sie bestimmt, was geschieht. «Überfremdung» beschreibt also nicht das «Überfremdetsein», das «Überfremden». Sondern das Wort erschafft eine politische, ökonomische, psychische Wirklichkeit für all jene, die als «überfremd» gelten sollen. Und es erschafft eine (radikal) andere Wirklichkeit für die, die sich allein von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nation, quasi gratis, Privilegien fürs eigene Leben ableiten wollen.
7. Juni 2020
Morgen ist also ein aussergewöhnlicher Tag. Weil in den Fünfziger- und Sechzigerjahren Menschen aus Italien, Spanien, Österreich, Jugoslawien ... in die Schweiz kamen; und ohne sie der Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur in diesem Land nicht möglich gewesen wären. Die «Ausländer» sprengten Berge, höhlten sie mühsam aus, den Gotthard- oder den Simplontunnel. Mit ihrer Arbeitskraft wurde das Autobahnnetz von A bis Z ausgebaut. In schwindelerregenden Höhen arbeiteten Bohrfachmänner, Minenarbeiter, Elektriker, Ingenieure an Staudämmen im Valle di Lei oder in Mattmark. Der Ausbau des Hotel- und Gastgewerbes wäre ohne die tatkräftige Mithilfe von «ausländischen» Köchinnen, Kellnern, Putzfrauen und -männern nicht möglich gewesen. Während die Schweizerinnen und Schweizer je länger je öfter aus dem arbeitsintensiven, schlechtbezahlten dritten Sektor aussteigen konnten
Dieser «überfremde» Anteil an der erfolgreichen «Schweizer» Geschichte ist unterbelichtet. Noch viel mehr gilt das für jene Lebensgeschichten, die aufgrund von politischen und arbeitsrechtlichen Diskriminierungen, aufgrund von verrücktem Profitdenken tödlich für die «Fremdarbeiter» endeten, wie die fahrlässig herbeigeführte Katastrophe in Mattmark im Jahre 1965.
Der morgige Tag ist aussergewöhnlich. Der Blick in die Geschichte zeigt, wie gegenwärtig die Strukturen der Ausgrenzung und Herabwürdigung sind – und der Blick zurück ist ein Ausblick in die Zukunft, dass es noch viel zu erzählen und genügend Gründe gibt zu kämpfen, statt zu applaudieren.