Justine Z. Bauer

Sprudel am Brandrand

1. Oma Lisa und die Hitlergrüße

2. Die vererbte Ballenpresse

3. Fritz und sein Stock

4. Hans und sein Schwanz

5. Die Borreliose-Blutsschwesternschaft

6. Mein glorreicher Abgang

1.

Jeden Morgen gehe ich mit Oma Lisa, ihrem Alzheimer und dem Hund Flipper um die 10 Häuser unseres Dorfes herum, damit die Oma Lisa nicht vergisst, wie es hier aussieht. Alles ist reichlich schön, ein Dorf wie aus dem Bilderbuch, die Windräder fast unsichtbar, auf der einspurigen Hauptstraße ist unser Spaziergang der einzige Verkehr. Am Ende bleiben wir immer vor dem Fleckvieh stehen, das sich, der Touristen wegen, mit den Glocken um die Hälser, gegenseitig unaufhörlich in den Ohren liegt.

Ob denn der Müllers Frieder noch lebt, fragt die Oma dann

und ja, sage ich, der ist noch ständig auf der Jagd im Wald und schießt die Rehe tot und jeder laute Knall, der kommt von ihm

und sie sagt, dass sie sich freut, das zu hören.

Wenn wir jemandem begegnen, dann grüßt sie, je nachdem in welchem Zeitabschnitt ihres Lebens sie sich gedanklich gerade befindet, entweder mit einem freundlichen Grüß Gott oder einem förmlichen Heil Hitler.

Heil Hitler an diesem Morgen zu Aleksander, der am Zaun eine Zigarette raucht und täglich für unterm Mindestlohn dem Müllers Frieder Grießbrei kocht und ihm Mund und Arsch abwischt und den Lohn am Monatsende heim nach Polen schickt.

Hi ist seine Antwort und er längst an Omas lautstark ausbrechende Kindheitserinnerungen gewöhnt, die ich ihr manchmal gerne, wie einem unerfahrenen Kind, verbieten würde.

Doch als wärs das Grüß Gott gewesen, sprechen die beiden dann über die sowieso allerhöchste Gewalt, das Wetter. Ein Gespräch, das ihnen fast ohne zu stocken mit Blicken gen Himmel und hin zu den Bergen und mit einem Haufen Lachen von der Hand geht.

Dass das ja ein netter junger Mann war, dass sie ihn auch ohne Wörter verstand und dass es viel zu warm ist und dass es ihm hier hoffentlich gefällt, so weit weg von daheim, sagt die

Oma.

Wir machen uns dann auf den Rückweg und weil es schon in der Früh beginnt, viel heißer zu werden als in allen anderen Sommern, an die sie sich erinnern kann, schließt sie daheim, aus Angst vorm Hitzschlag, alle Türen hinter sich ab, trägt einen großen Krug Leitungswasser zu ihrem Nachttischchen, legt sich in ihre Hälfte des – wie sie es selbst nennt – halbseitiglähmenden Ehebetts und summt dann, bis zum Abend, die liebsten Heimatlieder des toten Opa Heinrich vor sich hin, liest in seinen Liebesbriefen, von ihm an sie in Sütterlin und über sechzig Jahre her und ich helfe Mama im Melkstand und wie immer sagt sie, dass sie sehr froh ist, dass sie mich zum Helfen hat.

Nach dem Duschen verabschiede ich mich vom Flipper, der platt im Schatten liegt und fahre in die Berufsschule.

Bis vor eineinhalb Jahren bin ich dahin immer zusammen mit dem Michi gefahren, aber als er damit angefangen hat, anstatt der NPD die AFD zu wählen, ist sein Geschwätz arg unerträglich geworden, sodass ich ihm regelmäßig eine reinhauen wollte und das dann auch gemacht hab, als das mit der Oma Lisa und ihren Hitlergrüßen anfing und er sagte, dass ich gar nicht so zu tun bräuchte, als gäbe es da einen Unterschied zwischen ihm und mir und dass das Flüchtlingsvieh mich so oder so vergewaltigen und das mit Smartphones filmen und mir dann Airmaxx in die Muschi stecken würde. Es kam weniger Blut aus seiner Nase als Scheiße aus seinem Mund und dann hat er zusammen mit seiner Gruppe der jungen Heimatschützer unsere Ziegenhütte angezündet.

Damit die Wahrscheinlichkeit, dass die uns den ganzen Hof anzünden, geringer wird, hat mir der Papa das Auto gekauft, damit ich immer alleine fahren kann.

Du sagst da einfach nichts mehr, einfach nichts mehr, hat er gesagt, der Papa, hör einfach weg, die sind alle nicht mehr normal. Und die Brüder sagten das auch und seitdem sagte ich nichts mehr und die Gruppe der jungen Heimatschützer reckt ihre rechten Arme und richtet Grüße an die Oma Lisa aus.

2.

2005 standen alle so im Kreis: meine Brüder, meine Eltern, der Großonkel Fred und ich und der Großonkel Fred sagte zu meinen Brüdern, weil sie ja so tüchtig sind: Hach, euch Buben, euch bring ich beim nächsten Mal jedem ein Schweizer Taschenmesser mit, weil sowas braucht ein richtiger Mann!

Und ich stand einfach da, wie sich das für ein Mädchen so gehört und lackierte mir die Nägel, während ich mir die Haare kämmte, aber dann sagte mein kleiner Bruder und damit veränderte sich die Welt für immer:

Hää, aber was ist mit Katinka? Kriegt die kein Messer?

Und dann dachten alle erstmal nach und der Onkel Fred sagte sowas wie:

Ja, die Katinka, die ist ein Mädchen, Mädchen brauchen sowas nicht.

Und mein Bruder sagte dann, dass das doch egal ist, weil auch Mädchen Taschenmesser brauchen können.

Da bekam ich auch eins. Und danach erstmal nichts sinnvolleres. Bis zu jenem Tag, an dem das Testament vom Großonkel Fred vorgelesen wurde, in dem stand, dass er dem Mädchen Katinka seine Ballenpresse vererben möchte, wenn sie diese annimmt.

Deswegen fahre ich nun immer nach der Berufsschule auf den Feldern herum und presse mir Geld durch Heu- oder Strohballen, aber nur die kleinen, wenn mich jemand damit beauftragt. Eigentlich passiert nicht viel beim Ballenpressen, man bekommt einen Anruf, eine Wiese und fährt los und danach schreibt man eine Rechnung. Vorgestern hab ich bei zwei Bauern gepresst und gestern bei einem. Gestern kam wieder eine Wespe zu mir in die Kabine geflogen und ich öffnete ihr die Tür und sie flog hinaus, aber vorgestern kam nicht nur die Wespe, sondern als ich ausstieg, um eine Pfandflasche aus der Wiese zu fischen, da kamen auch zwei Rentner auf ihren E-Bikes vorbei und der eine schrie dem anderen zu: „Ja, aber sieh mal da. Eine Bäuerin!" und dann bremsten beide und der andere sagte „Ja, so sehen die heutzutage aus!" und ich stieg schnell wieder auf und gab Gas und presste weiter, damit ich auch dieses Geschwätz nicht hören musste, obwohl ich eigentlich gut finde, wenn Vorurteile sich in Luft auflösen, weil manche Menschen haben echt so wenig Fantasie, dass sie, wenn sie ihre Luftblasen verlassen, Schnappatmungen, der Realität wegen, bekommen. Da standen die Rentner aber dann noch ewig rum und schauten zu, wie jemand im Kreis fährt. Deshalb hab ich die E-Bikes mit dem Frontlader aufgespießt und in einen Baum geladen, weil sie die ja eh nicht mehr benutzt haben und weil sie mal was wirklich Ungewöhnliches zu sehen bekommen sollten. Aber der Teil ist erfunden, der nächste Teil leider nicht.

Heute wollte ich das eigene Heu pressen, aber anstelle des erwarteten fünften Heuballens warf die Ballenpresse einen Feuerball, der die ganze Wiese in Brand setzte. Ich hatte nichts zum Löschen, nur eine halbvolle Flasche Sprudel, die ich mitnahm, als ich vom Traktor sprang, bevor dieser im Feuer schmolz. Am Brandrand stehend versuchte ich in meinem Kopf eine Lösung zu finden, die freiwillige Feuerwehr nicht rufen zu müssen. Es gab aber keine andere Lösung, weil der Wald so nah war und dann das nächste Dorf und dahinter der andere Wald und dann das nächste Dorf und immer so weiter und alles von zwei Monaten über 30 Grad und ohne Regen trockener als Feuerholz. Ich gab die Wiese durch und 10 Minuten später waren sie da, alle die man kennt und die die man vom Sehen kennt und der

Hans natürlich auch und der Peter und der Michi und die feuerlegenden Feuerlöscher der jungen Heimatschützer. Sie packten ihre langen Schläuche aus und von diesem Anblick wurde ich innerlich ganz trocken und ich trank Sprudelschlücke, weil mir auch reichlich schlecht wurde. Ich wünschte auch, dass der Flipper da wäre, aber er fährt nur auf dem Traktor mit, wenn er nicht sofort erstickt. Der Brand war schnell gelöscht, denn zufällig flog die Bundeswehr gerade ihren neuen Löschwasserbehälter zur Trockenübung durch die Gegend und spontan entschied man sich im Hubschrauber beim Anblick der brennenden Wiese zur Feuertaufe und löschte das Feuer mit Flusswasser, das man in den zuvor nur leeren Löschwasserbehälter füllte. Der Einsatz von Hubschraubern im Falle eines solchen Feuers wäre außerhalb des Zufallsflugs aber zu teuer und nach zwei Flügen war alles gelöscht und der Hubschrauber verschwand und die freiwillige Feuerwehr blieb zum Beobachten und für Selfies und Gespräche mit der Brandverursacherin Katinka.

3.

Ob wir denn gut versichert sind, wegen dem Traktor, fragt der Fritz vom Nachbardorf.

Ja eh, bei der Württembergischen, so wie alle, nur die Ballenpresse, die vermutlich nicht.

Naja, das Ding war ja eh nicht mehr weit her, sagt er und ich nicke mit den Augen auf dem Einzigen, das ich je vererbt bekommen habe, während er davon erzählt, wie er, nachdem er den Feueralarm gehört, gleich das Schlimmste befürchtet und sofort seinen Arbeitsplatz verlassen hat, obwohl es da ja natürlich, wie ich mir bestimmt vorstellen könne, mal wieder drunter und drüber zugegangen wäre.

Wie den meisten Bauern mit nur fünfzig Kühen, ist es für ihn nicht möglich, seine fünf Kinder mit der Landwirtschaft zu ernähren und so arbeitet er nebenher als Hausmeister im Flüchtlingsheim, seit Jahren schon, noch bevor er damals auf Bio umgestellt und sich dadurch aber wider Erwarten sowieso kaum was an der Einkommenssituation geändert hat.

Der Schweiß läuft ihm in Flüssen die Finger hinunter über seinen Stock entlang. Das ist nicht abwertend gemeint, das mit dem Schweiß, denn das geht jedem so, wegen dem Feuer und der Sonne und dem Gerenne und keinem Schatten. Mein Schweiß läuft über die Sprudelflasche und der Fritz hängt schief auf seinem Stock. Das abwertend Meinende, das ist der Stock. Der Stock, den er zum Viehaustrieb nutzt, um die Kühe daran zu hindern, in die falsche Richtung zu rennen.

Auf kommt, auf kommt, da gehts lang.

Den Stock, den er benutzt hat, als seine Tochter Anna, von einem Bullen gegen das Gatter gedrängt wurde und fast gestorben wäre, wenn er nicht auf den Bullen eingedroschen hätte, mit diesem Stock.

Hörst du auf damit, hör bloß auf, sonst bring ich dich um.

Lange Zeit war seine Tochter Anna danach im Krankenhaus, mit Rippenbruch und Quetschungen und all dem Zeug.

Und ich weiß auch, dass er irgendwann damit begonnen hat, den Stock mit ins Flüchtlingsheim zu nehmen, das wissen alle.

Anders funktioniert das nicht, die muss man trennen wie das Vieh, sagt er, damit die sich nicht gegenseitig kaputt machen und dann heißts wieder nur, der Fritz hat seinen Job nicht anständig gemacht, der Fritz, der ist zu nichts zu gebrauchen.

Richtig so, sagen da dann die jungen Heimatschützer, lass dir von den Ausländern nicht den Job wegnehmen.

Aber so mein ich das nicht, so will ich das nicht, ihr habt mich falsch verstanden, sagt der Fritz dann dazu und lässt sich von keinem von ihnen auf die Schulter klopfen.

Und ich sage, dass immer viel passieren muss, damit einer von Zuhause weggeht. Keiner geht einfach so.

Das freut mich, dass das nochmal gut gegangen ist, sagt der Fritz nun zu mir, da kann ich jetzt nach Hause gehen, die Anita wartet schon. Ich geb ihm Grüße mit und trinke Sprudel.

Andere kommen zu mir und ich mache einen Witz darüber, dass der Brand in diesem Jahr nicht ganz so schlimm ist, weil ich wegen der Trockenheit eh jedes Hälmchen einzeln zusammen suchen musste und es anstelle der üblichen 50 Heuballen eh nur 25 gegeben hätte.

4.

Der Hans steht noch immer am Schlauch und schaut immer wieder zu mir her und ich von ihm weg.

Vor drei Jahren, als ich noch Jungfrau war, da wollte ich keine Jungfrau mehr sein, weil ich so neugierig auf Geschlechtsverkehr war, weil mir das Masturbieren so viel Freude bereitet hat, das muss man sich vorstellen, wie ich da aus meiner Kindheit kam und dann mit offenem Mund gar nicht so viel Luft schnappen konnte wie ich vor Fassungslosigkeit darüber, was der Körper einfach so erzeugen kann, hätte schnappen wollen. Ich war aufgeklärt und offen im Kopf und untenrum und zusammen mit der Uli und der Meli hab ich zur Übung und im Scherz Kondome über alles gezogen, über unsere Puppen, die wir dann wegwarfen, Reithelme, Handys, Hundefüße. Wir waren bereit für Explosionen, die wir uns nur größer als beim Masturbieren vorstellten und doch nicht vorstellen konnten.

Ich hab dann den Hans gefragt, ob er mit mir zusammen seine Altmännlichkeit finden will, weil ich mir diese Bezeichnung als männliche Form vom Verlieren der Jungfräulichkeit

ausgedacht hatte.

Hans sagte ja und damals hat mich das noch überrascht und schon zwei Tage später eh nicht mehr und wir trafen uns im Heu in der Hütte am Berg und ich erinnere mich nur noch an das Heu unter mir und wie er dann seinen Schwanz in meinen Mund gesteckt und ständig Ohja Ohja Ohja gesagt und meinen Kopf nicht mehr losgelassen hat, bis mir die Tränen vor Enttäuschung kamen, weil die Realität in diesem Moment so zum Kotzen war und ich trotzdem alles geschluckt habe.

Man hätte darüber lachen können, wenn er das am nächsten Morgen dann nicht auch in der Schule erzählt hätte, dass die Schlampe Katinka alles geschluckt hat und alle wussten dann mehr über mich, als ich über meine Erinnerung und sie hörten damit nicht auf und weil die Schule so klein war und die Dorfbewohner Tratschtanten, da hat, dass alle Bescheid wussten, tatsächlich bedeutet, dass alle Bescheid wussten und plötzlich standen so viele Männer ständig um mich und so auf mich, als gäbe es keine anderen Frauen mehr auf der Welt.

Auch der Paul, der Mann meiner Tante hat auf dem Volksfest hinterm Klohäuschen auf mich gewartet und dann versucht, mich in den Wald zu ziehen und die ganzen Sachen und ich bin stark, aber mehr innen als außen, weil meine Brüder mir immer alles weggegessen haben. So ging früher jedenfalls der Witz und wenn ich mich wehre, dann bringt das erst dann was, wenn ich die Zähne zusammenbeiße, wenn wieder jemand versucht, seinen Schwanz in meinen Mund zu stecken, denn das tut zum Schreien weh und dann kann ich rennen. Das ist so oft passiert und weil es beim ersten Mal zu meinem Ruf wurde, Katinka, vom Bauernhof, die lutscht eure Schwänze, da hab ichs erst niemandem erzählt und das mit dem Mann meiner Tante, das ja sowieso nicht und später nur der Mama. Ich hab mich ja geschämt mit jedem Schritt aus dem Haus und da hab ich mir dann auch den Flipper geholt, damit er auf mich aufpasst und bin runter vom Gymnasium, weil ich mich da nicht mehr konzentrieren konnte und eh sitzengeblieben wäre, weil ich kaum mehr hinging, sondern nur noch mit Flipper im Wald spazieren. Ich wollte eh immer Landwirtin werden und da bin ich auf die Berufsschule und die Mama hat sich gefreut. Wenn man sich eh ganz viel konzentriert, dann vergisst man das auch alles, was die da mit mir gemacht haben, daran erinnere ich mich ja kaum mehr. Vielleicht erzähl ich es bald, aber vielleicht kann ich das nicht, weil ich mich so lange so stark konzentriert habe.

Ich nicke dem Hans zu, weil sich das so gehört. Dem Paul auch und den jungen Heimatschützern und die Mama bringt Kaffee, weil sich das so gehört, weil die Freiwilligen der Feuerwehr sich als für uns nützlich erweisen mussten.

5.

Die Ulrike ist auch da und nimmt sich einen Becher Tee.

Wir haben uns früher in den Wiesen gerollt, die Ulrike und ich. Den ganzen Hang hinunter und wieder hinauf, die ganzen Sommer lang und haben uns ewige Freundschaft geschworen, wie das jeder mal so macht. Danach haben wir uns gegenseitig auf Zecken untersucht, am ganzen Körper und Strähne für Strähne zwischen den Haaren und fanden dabei immer welche, auch festgebissene, aber ich hatt im Zeckenentfernen ja Übung, auch wegen der Hunde. Aber einmal, da war die Zecke schon festgebissen und ewig groß, auf der Rückseite ihres Knies und weil sie aus der Stadt mit den 2000 Einwohnern kam, hat sie dann zuerst versucht vor der Zecke wegzulaufen und dann hat sie sie einfach rausgerissen und alles vollgeblutet. Das macht nichts, hab ich da gesagt und mich auch auf der Rückseite des Knies mit dem Taschenmesser aufgeschnitten. Wir pressten unsere Beine aneinander und schwörten auf ewige Blutsschwesternschaft und ewige Treue und sie sagte, dass sie mich, wenn ich ein Junge wäre, sofort heiraten würde.

Dann hat sie Borreliose bekommen und ich auch, aber sie viel mehr Ärger von den Eltern als ich.

Es ist viel schönes passiert mit ihr und der Meli auch, die später dann dazu kam. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das ist, wenn man geht und alles hinter sich lässt.

Als ich dann auf die Berufsschule ging und sie weiterhin aufs Gymnasium, da haben wir uns aus den Augen verloren, auch deshalb, weil ich sie nicht mehr ansehen konnte, weil sie mir nicht geholfen hat, als das mit dem Hans... Jetzt sieht sie ein bisschen älter aus und stellt sich neben mich und sagt, dass das ganz schlimm sei, mit dem Traktor und irgendwann weiß ich alles über ihre Zukunft und dass sie BWL in Stuttgart studieren will, weil man damit viel Geld verdienen kann und die Meli, die heiratet ihren Steffen, weil sie schwanger ist und er sowieso eine gute Partie.

Ich weiß nicht, ob sie nett zu mir ist, weil sie mich noch mag oder ob sie mich aushören will, nach fast drei Jahren ohne Ton.

Dass ich nach Kanada gehe in einem Monat, weil ich dort einen Job habe, für länger. Sage ich.

Sie schaut mich an und ich geb ihr liebe Grüße mit für die Meli und geh nach Hause zum Flipper, weil meine Sprudelflasche leer ist und mir den Durst nicht mehr löscht.

6.

Die Landschaft in Kanada sieht fast aus wie die bei uns.

Da wirst du dich sofort daheim fühlen, sagt die Oma zu mir, als ich ihr ein Bild zeige.

Es gibt Baumfrösche da, sag ich, da ist trotzdem alles anders und dann fahren sie mich und Flipper zum Flughafen.