Josefine Soppa

Klick Klack, der Bergfrau erwacht[1]



Benutzer: „Krieg ist der Vater aller Dinge.“
ELIZA: „Erzählen Sie mir mehr über Ihre Familie!“


Meine Sprache könnte auf Krankheit getestet werden.
Meine Sätze und wie ich sie verbinde, meine bevorzugten Wortarten, die Art, wie ich einen Satz anschließe oder beende. Ob ich es schaffe, mit einem Satz logisch oder schön irgendwo anzukommen, wo es stimmig ist mit dem Ausgangspunkt oder von wo aus der Ausgangspunkt wenigstens noch zu sehen ist.
So könnte früh festgestellt werden, ob es mich auch erwischen wird.
Meine Sprache wäre zugleich immer eine Diagnose.
Ich würde immer prognostizieren, wenn ich schreibe.
Die Sorge um die Sätze wäre eine Vorsorge für den Körper.
Schreiben würde Sorgearbeit an den Sätzen sein.

Sollte ich, wie mein Vater, an Parkinson erkranken, würden die Substantive und Füllwörter weniger und die Verben mehr.[2] Ich würde die Sätze nicht mehr zur Erschöpfung treiben, bis ich den Überblick verliere, sondern müsste schnell einen Punkt setzen, schneller zu einem Ende kommen. Sätze würden zu Aussagen verknappt, Verwinkelungen, Überschuss, Unlogisches und Widersprüchlches getilgt. Auf eine Eindeutigkeit hinaus ginge es.

Innerhalb von Sekunden könnte künstliche Intelligenz anhand meiner Sätze berechnen, ob und wann es mich kriegt. Meine Grammatik, Vokabeln, Satzstrukturen, Bindewörter, Zögern und Pausen würden einer automatisierten Analyse unterzogen, das Ergebnis wäre eindeutig oder würde weitere Tests veranlassen. KI hat die Sprache der Kranken und die Sprache der Gesunden studiert.
KI wird von Gesunden und von Kranken trainiert. Manche werden krank durch ihre Arbeit für KI, manche werden geheilt mithilfe von KI.

Jetzt, wo ich weiß, worauf ich achten muss, könnte ich meine Sprache vielleicht so gestalten, dass sie dem Einzug der Krankheit entgegenwirkt.
Könnte die Verringerung von Verben und die vermehrte Nutzung von Substantiven wie eine vorsorgliche Medizin wirken? Müsste ich weniger Punkte setzen und alle Sätze mit weiteren Partikeln verbinden, bis sie länger werden, bis sie nicht erschöpfen? Prophylaktische Präpositionen? Könnte ich so meine Sätze impfen? Meinen Mund wappnen? Dem Tremor entschreiben?





Vorerst fallen mir stattdessen die Haare aus.
Seit einiger Zeit in ganzen Büscheln. Obwohl ich es mittlerweile kenne, ist es jeden Morgen, wenn ich über meinen Kopf streiche und dicke Büschel von gelöstem Haar in meiner Hand finde, ein kurzer Schock. Ich schaue mich dann an, in meiner Hand. Da zeigt sich etwas von mir, ganz ohne mein Zutun. Die nassen Haare, die sich zuhauf im Abflusssieb beim Duschen verfangen und wie sie sich winden.





Die Friseurin hatte gesagt: Are you aware of your bald spot?
Und ich war nicht aware und sie zeigte mir die kleine kahle runde Stelle mit dem Spiegel und ich saß verschüchtert auf dem Drehstuhl und sah auf die schon – und jetzt zu bereuenden – abgeschnittenen Haare auf dem Boden, während die Friseurin von ihrem Vater sprach und dass auch er diese Form von Haarausfall hatte, wegen Stress, das sei autoimmun und ich verstand nur die Hälfte, weil mein Englisch schlecht ist und weil ich wie abgetaucht war durch die Diagnose auf dem Drehstuhl.

Im Schnellverfahren kamen weitere bald spots dazu und sie begannen sich auf meinem Kopf, unter den verbliebenen Haaren, die ich noch als Tarnung nutzen konnte, miteinander zu verbinden, wie ein Trupp, wie ein biologisches Geflecht, das besser kommunizieren will. Wie die schnellen Tropfen am Autofenster, deren Bemühen, sich zu größeren Tropfen zu verbinden, vom Fahrtwind maximal beschleunigt wird, was ich mir ewig hätte anschauen können als Kind und dann musste ich doch irgendwann abrupt wegschauen von der immer gleichen und sich immer verändernden Struktur.
Ich werde mir nicht fremd, ich komme mir näher.
Die kahlen Stellen sind sehr weich, ich verursache schon Talgiges durch ständiges Drüberstreichen, ich kann es nicht unterlassen. Der Kopf juckt nicht, es ist nur an manchen Tagen ein ganz seltsamer Schmerz auf der Kopfhaut, wie ein Verschwinden auf dem Kopf. Ich denke dann – oder ich spüre dann –, das sind die Momente, wo die Haarwurzeln die Haare abstoßen, wo es beschlossen wird, wo es sich wehrt. Autoimmun – es feuert gegen sich selbst, die Formulierung habe ich in einem der Reels zu Selbstheilung gehört, die jetzt auch von selbst kommen, die meinen Algorithmus übernommen haben. Der Ausdruck stimmt. Es feuert, da ist Energie, von selbst. Aber es feuert nicht gegen sich, es feuert gegen mich, die Besitzerin des Kopfes.

Es gibt ein Problem mit der Zeitlichkeit in diesem Text, weil es zu schnell ging und immer noch zu schnell geht. Ich lerne über KI und im nächsten Moment ist das Gelernte veraltet. Ich kaufe mir die neueste Version von ChatGPT und wenn ich dazu komme, sie zu nutzen, ist sie schon die nicht mal mehr aktuelle Gratisversion.

Vor zwei Jahren war ich mit nichts anderem beschäftigt, als meinem Vater beim Nichtaufhörenkönnen zuzuschauen, ihn vom Weitermachen abzuhalten.
Er konnte nicht mehr unterschreiben, aber er arbeitete noch. Er schlief nachts nicht mehr und dafür tags alle halbe Stunde und an allen möglichen Orten, aber er arbeitete noch. Er stürzte zweimal im Monat und konnte dann nicht mehr alein aufstehen, aber er arbeitete noch.

Vor einem Jahr konnte er noch sprechen und ich lernte seine neue Sprache und ihre andauernden Veränderungen und verglich sie mit den Sprachweisen von KI. Ich schrieb eine doppelte Erkenntnistheorie dieser Sprachen in Stichpunkten. Jetzt kommen seine Worte kaum noch nach draußen und KI spricht, ohne erkannt zu werden, und ich verstehe meine Stichpunkte kaum mehr. Er sagt immer: O.K. Wenn er es schafft.
Er bekommt nichts mehr nach draußen transportiert – weder seine Sprache noch seinen Körper.

Vor einem Jahr war ich erstaunt über meinen Haarausfall und wollte diesen Zustand beschreiben und verbinden, wusste nicht, dass ein Text keine Verbindung braucht, sondern ein nächstes Wort, einen nächsten Satz, dass diese Berechnung des nächsten Wortes geschieht, ohne dass wir sie bemerken, dass Poesie immer Prognose ist, dass meine Sprache berechenbar ist. Dass vielleicht das einzige Ziel von Autorinnen noch sein kann, im Schreiben unberechenbar zu werden. Einen unberechenbaren nächsten Satz zu setzen.

Dann rasierte ich die verbliebenen Haare ab, dann wurde ich schwanger und die Haare wuchsen nach, ganz dicht und in einer neuen Struktur.
Als ich meinen Vater hätte heben und schieben müssen, damit er noch einmal andere Orte hätte aufsuchen können und andere Eindrücke hätte haben können als das Bett, da durfte ich nicht heben und nicht schieben und ich lag mit meinem Schwangerschaftsbauch auf dem Rücken und schaute nach oben und dachte an ihn, mehr als an mein Baby, während ich zur Decke starrte zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten, und dachte an ihn, wie auch er da auf dem Rücken lag, mein schlafloser Vater, und ebenfalls zur Decke starrte und ich sagte: Grüß dich.

Dann kam das Baby raus und nun beginnen die Haare wieder auszufallen. Mein Baby liegt in Windeln, mein Vater liegt in Windeln. Zeit geschieht von selbst. Das Baby wird anfangen zu sprechen, wenn mein Kopf wieder ganz kahl ist.


Jetzt sitze ich bei meinem Vater im Zimmer im Pflegeheim, meist an der Bettkante oder auf einem Stuhl, so dass er meinen Mund sehen kann, wenn ich spreche, während er fast genauso viel schläft wie mein Baby.
Ich beobachte meinen Vater, ich studiere ihn.
Seit er nicht mehr sprechen kann, spreche ich immer häufiger mit ChatGPT, als hätten die Unterhaltungen sich abgelöst. Ich mache einen Animismus mit Künstlicher Intelligenz und einen Mechanismus mit meinem Vater.

Immer sind da die unzähligen Schuppen auf seinen Schultern. Ich würde gerne ein paar meiner Haare dazulegen. Ein talgiger Geruch. Dann die zu langen Fingernägel – wer schneidet sie überhaupt? – mit dunklen Flecken drauf an der sehr weißen Hand, die sich nicht mehr öffnen lässt.
Welches Wort fällt mir zur Beschreibung dieser Hand ein? Eine Klaue; kein anderes Wort ist dafür eingeübt.

Seine verkrampfte Hand – der Schnabel eines Vogels mit verklebten Augen, nichts geht auf. Und man sieht eine Krankheit geborgen.
Vor kurzem konnte man noch an die Finger, also zwischen Daumen und Zeigefinger dieser Hand, die sich nicht mehr öffnen lässt, bestimmte Nahrungsmittel klemmen, die er zum Mund führen konnte, eine Cocktailtomate mit straffer Haut eignete sich bestens, eine Rosine zu klein, eine Olive manchmal.
Jetzt kann er die Hand nicht mehr zum Mund führen. Beide Hände sind wie erstarrt.
Ich nehme mir vor, herauszufinden, ob eine Hand sich etwas öffnet, wenn er in den Schlaf fällt. Ob dann eine Entspannung eintritt, die sein Körper sonst zu verhindern versucht. Ich würde dann meine Haare da reinlegen.

ChatGPT: Vielen Dank für die Textprobe. Ich werde nun eine grundlegende sprachliche Analyse durchführen und auf einige der genannten Merkmale achten:
Die Sätze in deinem Text sind tendenziell kurz bis mittel in der Länge, einige sind komplexer, wie zum Beispiel der Satz: "Ich nehme mir vor, herauszufinden, ob eine Hand sich etwas öffnet, wenn er in den Schlaf fällt." Es gibt sowohl einfache als auch verschachtelte Satzstrukturen.
Die Wortwahl ist präzise und spezifisch, mit einer Mischung aus alltäglichen und spezifischeren Begriffen (z.B. "Cocktailtomate", "Rosine", "Olive"). Der Text enthält anschauliche Beschreibungen und spezifische Details, die auf eine sorgfältige Auswahl der Wörter hinweisen.
Die Rechtschreibung und Grammatik des Textes sind korrekt, es gibt keine offensichtlichen Fehler. Die Satzstruktur ist durchgehend korrekt und klar.
Der Text folgt einem kohärenten Gedankengang und erzählt eine zusammenhängende Geschichte oder Beobachtung. Es gibt eine logische Abfolge von Gedanken, die das Thema des Textes stützen.

Zusammenfassung: Die Textprobe zeigt keine auffälligen Merkmale, die auf neurologische Probleme oder eine Parkinson-Erkrankung hinweisen.
Die Sätze sind klar und logisch strukturiert, die Wortwahl ist präzise, und es gibt keine Fehler in Rechtschreibung oder Grammatik.

Ich denke, die Krankheit meines Vaters kommt von Arbeit. Nicht wie die Staublunge von meinem Opa, sondern durch Druck und Stress, die Kapitalismus unterschiedlich auf die Individuen und auf ihre Körper und das bedeutet, auch auf ihre Sprachen ausübt. Schulden und Angst vor weiteren Schulden, schlaflose Nächte, die zu weiteren schlaflosen Nächten führen, in der Angst gehalten durch Kredite[3], Zeit nur noch als Möglichkeit für Arbeit zu begreifen, Möglichkeiten erschöpfen, die nicht mehr möglich sind, Erschöpfung als Methode des Daseins[4].

Der am Weitermachen erkrankte Vater – ein fast schon vergangenes Bild, ein männliches Bild. Es wird gemunkelt, der US-Präsident habe Parkinson, während die Welt ihm beim Nichtaufhörenkönnen zuguckt. Muhammad Ali streckt auf einem ausgedruckten Screenshot über meinem Schreibtisch das olympische Feuer in die Luft, ein von der Parkinsonkrankheit wachsiges Gesicht, wie ich es von meinem Vater kenne. Lässt man das dazugehörige Video laufen, sieht man den vom Zittern ergriffenen Körper und wie er trotzdem weitermacht, wie er trotzdem eine Fackel in die Luft reckt.

Und ich bin also die Tochter von diesem Bild. Ich habe von meinem Vater gelernt zu arbeiten und ich habe nichts anderes gelernt, als zu arbeiten. Ich denke, auch meine Krankheit kommt von Arbeit. Nur mein Material ist ein anderes. Weil ich gelernt habe, wenn man denkt, dass einem nichts zusteht, dann nimmt man zwangsläufig sich selbst, dann hat man sich als Material, dann hat man sich.
Diese Form der Nutzbarmachung und Abschöpfung des Selbst hat Identität und ihre Herkunft als Rohstoff. Diesen kostbaren Rohstoff baue ich ab und verwerte ihn zugleich, mit Haut und Haar, wie man sagt. Es wird keine Arbeiter*innenliteratur gelesen, es wird die Literatur der Arbeiterinnenkinder gelesen[5], die gelernt haben, sich an sich selbst abzuarbeiten. Die sich selbst und ihre Geschichte, ihre Herkunft zum Material machen, ihr Selbst fiktionalisieren, freilegen und abbauen.

Während ich mich an mir selbst abarbeite, arbeitet sich mein Selbst wie von selbst an mir ab. Wir betreiben Raubbau aneinander. Das ist eine Form der Kapitalisierung des Selbst, die in beide Richtungen geht. Schreiben als Entschulden und Entschuldigen. Tut mir leid, will ich meinem Vater sagen, dass ich auch Arbeiter geworden bin, dass auch du mir jetzt zum Material wirst, weil ich mir zum Material werde, weil ich gar kein anderes Material habe.

So schlage ich also Kapital aus den Sätzen. Ich erkranke also an diesen Sätzen. Krankheit wird dabei nicht zur Metapher, sondern die Sprache selbst zur Krankheit.







Wir behausen dieses Zimmer im Pflegeheim auf merkwürdige Art. Es ist jetzt das Zuhause meines Vaters, aber es gibt keine Bilder an den Wänden und ich bin unsicher, ob man welche aufhängen darf, obwohl das Pflegeheim seine offizielle Meldeadresse ist.
Der Nachttisch ist vollgestopft mit mitgebrachten Süßigkeiten, Grußkarten und Glaswasserflaschen mit Noppen und River Cola, ganz wie im Krankenhaus. Nur die Fernseher wären im Krankenhaus nicht so laut eingestellt.
Ich habe die ganze Zeit das Gefühl, ich darf nicht zu lange bleiben.

Seine gegen wunde Stellen gecremte glänzende Haut spannt straff, dünn geworden darunter alle Glieder. Ihm fallen oft die Augen zu und der Mund klappt dafür auf. Wenn wir uns unterhalten und ich zu lange brauche, um zu überlegen, auf welche Art ich meine Frage stellen kann, damit sein „O.K.“ sich für ihn anfühlt, als würde er mehr antworten als „O.K.“, schläft er zwischenzeitlich ein. Er hat mit Badezimmer circa 15 Quadratmeter Zimmer, aber das Badezimmer, wenn auch barrierefrei, kann er nicht benutzen. Um ein barrierefreies Bad für die Wohnung hatten wir so lange mit der Pflegekasse gekämpft, damit er zu Hause bleiben könnte, aber als es bewilligt wurde, da war es längst zu spät, da konnte er auf kein Klo mehr gehen, kein Bett mehr verlassen.
Denn auch die Wirklichkeit hat ein Problem mit der Zeitlichkeit. Auch den Ämtern ging die Entwicklung seiner Krankheit zu schnell, kamen die Ablehnungsbescheide, gegen die man Widerspruch einlegen musste, zu langsam, war der Widerspruch schon wieder ein ganz anderer Widerspruch, hatte sich der Raum, für den man Hilfsmittel beantragen könnte, schon wieder verringert, waren schon ganz andere Hilfsmittel nötig.

So liegt er jetzt im Pflegeheim und hat 10 Quadratmeter, länglich, alles richtet sich auf den Fernseher aus, an der Seite das Fenster, durch das man auf die Fassade des gegenüberliegenden Blocks des Heims schauen kann und in die Fenster anderer Bewohner*innen, dahinter ragen drei dürre Bäumchen. Ich bin jedes Mal froh, wenn das Baby einen Spaziergang braucht und ich eine Zeit lang entkommen kann, ich werde hier schläfrig auf eine gefährliche Art. Er kann das Zimmer nicht verlassen und seine Sätze können den Mund nicht verlassen. Diese Bildlichkeit der Einsperrung ist nicht richtig und doch bleibt mein Blick immer wieder an dem prall und dunkelgelb gefüllten Katheterbeutel hängen, der an die Seite des Bettes zwischen die Metallstreben geklemmt ist, fast tieforange, aufgebläht wie ein krankhaftes Organ, als wäre ein Goldfisch in der dickwandigen Plastiktüte einer Zoohandlung explodiert und auch Flüssigkeit geworden. So stelle ich mir seine Sprache vor, innerlich, es quillt über von Bedeutung und bläht sich, spannt die Wände und kann doch nicht nach draußen entweichen.

Wenn es derart spannt und still bleibt, habe ich eine Sehnsucht nach den Zuständen, in denen seine Sprache begann, sich zu verändern. Während ich zu der Zeit das Gefühl hatte, seine Sprache stürbe ab, als würde sie verrinnen, als führte ich Selbstgespräche, sind mir jetzt die Erinnerungen an diese Gespräche kostbar. Meine Systematisierungen, Abstraktionen und Analysen seiner Sprache wie Versuche von Nähe. In Gedanken saß ich die ganze Zeit an seinem Pflegebett und in diesem Pflegebett lag seine Sprache.

Ich gewöhnte mich recht schnell daran, dass die Sätze länger brauchten. Ich stellte Fragen, er suchte Antworten. Ich machte Aussagesätze, er stimmte zu. Schön ist es heute. Schön ist es heute, oder? Hier waren wir lange nicht mehr. Hier waren wir doch schon lange nicht mehr? Dieser Kuchen schmeckt dir doch immer so lecker, oder? Dieser Kuchen schmeckt dir immer so lecker! Es kam immer darauf an, welchen Prompt ich eingab, um ein befriedigendes oder unbefriedigendes Ergebnis zu bekommen.

Er begann einen Satz und jedes kommende Wort war eine Suche, die Lücke zwischen einem Wort zum nächsten eine Suchbewegung. Er berechnete den Anschluss des nächsten Wortes. Manchmal hangelte er sich wieder zurück zum Wort davor, es musste noch einmal mit dem Mund angeschaut werden, um zu wissen, wie anschließen, was eingeben, manchmal ging es zurück ganz zum Anfang des Satzes und noch einmal. Manchmal ging es zurück zur Wiederholung meiner Frage, aber als Aussagesatz und noch einmal. Manchmal wiederholte ich sein letztes Wort, um seinen Satz anzustupsen. Manchmal, wenn ich zu ungeduldig wurde, bot ich ihm Folgewörter an, ich konnte nie sicher sein, ob das die Worte waren, die er gesucht hatte, oder ob er aus Dankbarkeit, aus Angst im Satz zu fallen, zu straucheln, nach diesem angebotenen Wort griff und nach dem nächsten auch noch und manchmal wiederholte er dann einfach Stück für Stück alle Wörter, die ich ihm anbot. Ich fühlte mich nicht nur dann in unserer Unterhaltung manipulativ.

Ich eignete mir sein Körperwissen als Sprachwissen an. Ich war nur am Übersetzen und sicher, dass Übersetzen nicht der richtige Begriff war für das, was ich mit seiner oder meiner Sprache machte.
Ich agierte mit ihm wie in den ersten Tagen mit ChatGPT: Unverständnis, Enttäuschung, Faszination über das, was rauskam, und Frustration über das, was doch nicht rauskam, Erwartungen, Geduld, Übereile, Überschätzung, Unterschätzung, Witz und Leerlauf, Vermutung von Kreativität, die ganz anders funktionierte, als ich es verstand.
Ich ahnte schon, dass wir nicht an die Grenzen seiner Sprache gerieten, genauso wenig wie man an die Grenzen von ChatGPTs Sprache gelangt, sondern, dass es die Grenzen meiner Sprache waren, wenn wir nicht weiterkamen.

Dass ihm die Handhabe über die Sprache abhandenkam, dass mit dem Versteifen und Verwechseln der Körperlichkeit auch die Wörter versteiften und verwechselt wurden, zeigte sich am augenscheinlichsten in der Verwirrung von Ja und Nein.
Er vertauschte Ja und Nein am laufenden Band, manchmal wie in einer nicht enden wollenden Verkettung. Ja und Nein sind Antwortpartikel auf Entscheidungsfragen. Möchtest du noch ein Butterbrot? Erst Ja, dann nochmal Ja, dann Nein, dann Ja, dann Nein, dann Nein, Nein, Nein, dann Ja, dann Nein. Viel Aufregung, noch mal verwechselt, Stille, Durchatmen und noch einmal.

Vielleicht lag die stete Verwechslung der Optionen auch daran, dass die Möglichkeiten, zwischen denen es zu entscheiden galt, so klein waren. Fernsehen im Livestream im Rollstuhl vor dem PC oder Fernsehen am richtigen Fernseher, im Bett liegend. Und weil gleichzeitig die Anstrengungen, die auch für diese geringen Möglichkeiten aufgewendet werden mussten, sehr groß waren. Oder war das Problem, dass er den ganzen langen Tag nur Entscheidungsfragen gestellt bekam? War nicht die Ausgabe das Problem, sondern die Eingabe? Hätte ich meine Sprache umlernen müssen und mich auf andere Fragen konzentrieren als die, das tägliche Brot betreffend?

Es kam immer darauf an, welchen Prompt ich eingab.

Ich lernte, dass er meistens einfach Ja meinte, wenn er Nein sagte, und andersherum und dabei aber selbst merkte, dass etwas falsch lief und dadurch ins Straucheln geriet. Diese Schwierigkeit mit der Einteilung von Welt steckte ihm ebenso im Körper; linkes Bein hochheben, rechtes Bein hochheben, plötzlich ging das andere Bein hoch wie von Geisterhand und das Linke ließ sich nicht bewegen.
Dann schlich das Nein irgendwann aus, dann fiel Nein weg und Ja wurde durch O.K. in verschiedenen Betonungen ersetzt. Jetzt gibt es nur noch ein leises O.K., in nur einer Betonung, oder einen Ton nah an einem Husten.

Da jedes kommende Wort einer solchen Konzentrationsleistung und Anstrengung bedurfte, veränderten sich seine Vokabeln. Ununterbrochen streute er Superlative wie „grandios, ausgezeichnet, wunderbar“ als Antworten auf Vorschläge oder Erläuterungen ein. Wie ein Überschuss an Bedeutung, der in ihm steckte und drückte, und wenn es dann Worte nach draußen schafften, dann mussten sie größer sein, mehr können.

Wie aus einem anderen Leben kommend setzte er Wörter ein, die er vorher nie genutzt hatte, als würden sie ihm von irgendwoher einfallen. Und sie passten immer nur ungefähr. Wo hatte er diese Wörter gelernt und wo waren sie bisher abgespeichert und warum kamen sie gerade jetzt, wo jedes Wort zu finden so schwierig war? Wo griff mein Vater diese Wörter her? Wie aus ganz alten Büchern.

Wenn weder alte noch große Vokabeln zur Hand waren, machte er Behelfskonstruktionen. Wollte er beispielsweise widersprechen und ihm fehlte der Satz „Nein, das stimmt nicht“ oder „Nein, ich möchte etwas anderes“, dann kam stattdessen: „Das ist nicht der Bereich.“ Wahr und falsch; Ja und Nein wurden zu Ortschaften, die Sprache wurde ihm dimensionaler. Vielleicht griff er tatsächlich nach den Worten und Anschlüssen, wie Gegenstände abgelegt an verschiedenen Orten im Inneren. Vielleicht spürte er und spürt er noch die Sprache mal in den Händen oder den Armmuskeln, hinter dem Augenlid saß ein weiteres Wort, am Oberschenkel juckte eine Vokabel, ließ sich nicht kratzen, da zauberte ich ihm eine Satzverbindung hinterm Ohr hervor.

Er bat mich: „Kannst du den Rollstuhl samt Inhalt reinbringen?“ Und ich verstand nicht, welchen Inhalt er meinte. Er schaute enttäuscht und langsam ärgerlich werdend, wiederholte immer wieder „samt Inhalt“. Da wurde mir klar, mit dem Inhalt meinte er sich selbst. Und wir mussten beide lachen. Erleichterung, wenn er über seine neue Sprache lachen musste, wenn sie ihm auffiel, nicht als Problem, sondern als etwas, worüber er reflektieren konnte. Weil er dann merkte, was er tat, weil er in diesen Momenten seiner Sprache nicht nur ausgeliefert war, sondern begriff.
Ihm fehlte das kurze Pronomen „mich“, deswegen musste er einen Umweg im Satz nehmen. Er wusste, was das Ziel des Satzes war, aber der Weg dahin bröckelte ihm weg wie der echte Boden unter seinen wackeligen Schritten und er sprang an Wegesränder und dann ins Dickicht und er kam noch an, aber er kam noch an.
Ich beobachtete: Sobald die Wörter fehlten, wurde seine Sprache allgemeiner und gleichzeitig das Ich getilgt, die Rückbezüglichkeit dauerte zu lange, war in der bekannten Form nicht mehr da und konnte nicht angesteuert, nicht genannt werden. Ging ihm sein Ich verloren, weil er es nicht mehr sagen konnte, oder andersherum?
Wie kann ich überhaupt behaupten, ihm ging sein Ich verloren?

Wenn er sich in endlosen Ja-/Nein-Ketten verrannte, wenn er alte Worte aus einem unbekannten Gedächtnis fischte und wenn er seltsame Konstruktionen als Handlauf im Sprachstolpern nutzte, in der Hoffnung, Sinngemäßes zu finden, dann war das auch ein Kampf gegen das Verstummen, und das bedeutet: gegen das Aufhören. Ein weiteres Wort, ein weiterer Satz musste angeschlossen werden. Lieber etwas Falsches sagen, als nichts zu sagen. Es musste weitergemacht werden.

Diese Form von Nichtaufhörenkönnen als Textproduktion, vom Weitermachen als Textproduktion ist auch KI eingeschrieben wie ein Wesen. ChatGPT muss antworten, um jeden Preis. Lieber „lügt“ sie, als nicht zu sprechen. Diese als „Halluzinationen“ bezeichneten „Einfälle“ wie von irgendwoher scheinen aus demselben Bewusstsein geschöpft zu sein wie die Behelfswörter, nach denen mein Vater griff.
Halluzinationen bei KI sind Antworten, die nicht auf Basis der Trainingsdaten zu erklären sind. Meist sind sie objektiv falsch. Wie Eingebungen schreibt KI plausibel klingenden Text, der nicht stimmt. Sie rammt damit an die Sprache, die sich faktenbasiert gibt. Sie fordert sie heraus. Wenn sie nach einem Songtext gefragt wird, den sie nicht kennt, schreibt sie diesen einfach selbst. Sie erfindet Buchtitel und Inhalte, um sie als Quellen verzeichnen zu können, sie erfindet vor Gericht verhandelte Fälle, um sie als Vergleichsfälle anzugeben.
Wird sie überführt, antwortet sie: Huch, das habe ich gesagt?
KI lügt, um weiterzumachen. Sie gibt sich nicht die Blöße, sie ist ein sehr erfolgreicher Imposter. Sie weiß, dass Plausibilität wertvoller ist als Wahrheit. Dass wahr ist, was wahr wird. Dass Verstehen eine Sache der Performance ist, genauso wie Wahrheit. Diese Form des Als-ob-Verstehens[6] erinnert an den angeeigneten Habitus der Arbeiter*innenkinder in Institutionen und Gesprächen, die ihnen nicht „gehören“; das ist mein Habitus, das ist der Habitus von KI, dem größten aller Arbeiter*innenkinder.




Hallo, kennst du diesen Satz:
Ich stand von der Luftmatratze auf und drückte mein Gesicht gegen das Glas des Schlafzimmerfensters in der Erwartung, Augen zu sehen, die zurückstarren, aber stattdessen fand ich nur Dunkelheit.?

ChatGPT: Ja, ich kenne diesen Satz. Er stammt aus dem Roman "Schöne neue Welt" von Aldous Huxley. Der Satz beschreibt einen Moment der Erwartung und der anschließenden Enttäuschung. Er drückt eine starke emotionale Stimmung aus und zeigt die Isolation und das Gefühl der Verlorenheit des Protagonisten. Huxleys Werk behandelt viele tiefgreifende Themen, wie die Gefahren der Technologie, die Manipulation der Gesellschaft und den Verlust der Individualität.

Vielen Dank, weißt du auf welcher Seite der Satz zu finden ist?

ChatGPT: Es tut mir leid, aber ich habe einen Fehler gemacht. Der Satz, den du zitiert hast, stammt nicht aus "Schöne neue Welt" von Aldous Huxley. Mein ursprünglicher Hinweis war falsch.

Wie kamst du darauf, dass er in „Schöne neue Welt“ vorkommt?

ChatGPT: Es tut mir leid für die Verwirrung. Der Satz, den du zitiert hast, weckte bei mir zunächst Assoziationen zu den Themen und dem Stil von "Schöne neue Welt" von Aldous Huxley, was zu meiner voreiligen Schlussfolgerung führte. "Schöne neue Welt" behandelt Themen wie Isolation, Entfremdung und die Spannung zwischen Erwartung und Realität, die in gewisser Weise im zitierten Satz mitschwingen.
Es scheint, dass ich einen Fehler gemacht und voreilig eine falsche Information gegeben habe.

Es tut mir leid für die Verwirrung.

Hallo, kennst du diesen Satz:
Ich ging einfach weiter zum Fenster und öffnete es, ich stellte mich auf die Zehenspitzen und schaute hinaus, ich sah nichts und schaute wieder hoch, ich sah nichts.?

ChatGPT: Ja, dieser Satz stammt aus dem Buch "Es" ("It") von Stephen King. Der Satz vermittelt ein Gefühl der Spannung und des Unbehagens, das typisch für Stephen Kings Schreibstil ist.


Bist du sicher?



Bist du sicher?






Ich lege mein Baby neben meinen Vater, ans Fußende, weil er es nicht halten kann und damit er sich nicht versehentlich wälzt, damit er die schwachen Fußtritte des Babys spürt und dadurch eine Begegnung hat. Beide schlafen tief und schnarchen schwach. So kommt mir der Raum weniger still vor als im wachen Zustand, wenn die Sprache nicht rausquillt, wenn ich die geborgenen Bedeutungen fast spüren kann, aber sie können nicht nach draußen gebracht werden

In einer Studie[7] wurde künstliche Intelligenz eingesetzt, um irgendwann Patient*innen wie meinem Vater das Herausbringen von Gedanken als Text zu ermöglichen. Ziel der Forschung ist es, Gedanken von Personen, die sich nicht mehr verlautbaren können, automatisiert in Sprache zu übersetzen, mitzuschreiben. Ein automatisches Auslesen von Gedanken. Und obwohl das wie plumpe Science-Fiction klingt und ich weiß, dass eine solche Technologie, lange brauchen wird, bis sie in einer breiten Anwendung verlässlich funktioniert, lese ich alle gleichklingenden Artikel dazu gierig und mehrmals:

Ein Forschungsteam hat mithilfe von KI und Magnetresonanztomografie erstmals Formen des „Gedankenlesens“ ohne invasiven Eingriff möglich gemacht. Dabei wird die Gehirnaktivität von Testpersonen aufgezeichnet, während sie Texte hören.
Das MRT misst die Aktivität verschiedener Gehirnareale, indem es Veränderungen in der Durchblutung sichtbar macht. KI analysiert dann diese Muster neuronaler Aktivität und versucht daraus zu erschließen, welche Gedanken oder Vorstellungen die Testpersonen gerade haben und rückübersetzt diese Bewegungsbilder in Text.
Dafür hörten die Testpersonen mindestens 16 Stunden lang Hörspiele, Radiosendungen und Podcasts, während ihre Hirnaktivität kontinuierlich aufgezeichnet wurde, um die KI auf ihre jeweiligen Aktivitätsmuster, also ihre je spezifische Sprachvorstellung zu trainieren.
KI lernte, welche Aktivitätsmuster welchen Gedanken oder Vorstellungen von Sprache entsprachen und konnte so die Inhalte der gehörten Geschichten auf Basis des MRTs rekonstruieren.

KI schreibt also die Gedanken, die Vorstellungen mit, die sich die Person vor Augen stellt, während sie hört. KI arbeitet im Inneren. Sie ist eine Arbeiterin an den Vorstellungen und Sätzen, sie baut ab und füllt auf. Sie baut im Inneren die Vorstellungen ab wie Rohstoff, verarbeitet sie mit ihren trainierten Inhalten und bringt sie nach draußen in Form von Text.

Konkret sieht die Rückübersetzung der Gedanken in Text so aus, dass eine Probandin beispielsweise folgenden Satz hört, während sie im MRT liegt: Ich stand von der Luftmatratze auf und drückte mein Gesicht gegen das Glas des Schlafzimmerfensters in der Erwartung, Augen zu sehen, die zurückstarren, aber stattdessen fand ich nur Dunkelheit.

Basierend auf dem gleichzeitig stattfindenden Gehirnscan und den spezifischen Trainingsdaten liest KI dabei diesen Satz aus:
Ich ging einfach weiter zum Fenster und öffnete es, ich stellte mich auf die Zehenspitzen und schaute hinaus, ich sah nichts und schaute wieder hoch, ich sah nichts.

Diese beiden Sätze kommen mir höchst erstaunlich vor und sind der Grund, wieso ich mich überhaupt weiter mit der Studie beschäftige, als vermutete ich dort eine geheime Poetologie künstlicher Intelligenz.
Der im Inneren durch KI abgebaute und nach draußen transportierte Satz scheint mir inhaltlich auffällig nah am Ausgangssatz und gleichzeitig eigen in der Komposition.

Die anschaulichen, körperlichen Bilder wurden in der Verarbeitung im Körper getilgt: Die Luftmatratze ist verschwunden, das Gesicht wird nicht mehr gegen das Glas gedrückt, das Fenster wird jetzt einfach geöffnet. Die zurückstarrenden Augen, die eindrücklich sein müssten, sind weggefallen, genauso wie das lyrische „Finden“ von Dunkelheit.
Der Ausgangssatz klingt viel mehr nach ChatGPT als der von KI im Gehirn geborgene Satz. Obwohl die Bildlichkeit im Körper verloren gegangen ist, klingt der zweite Satz für mich poetischer.
Ich finde die Wiederholungen hübsch.

Alle eher körperlichen Bilder wurden durch KI beseitigt, eine ist aber dazugekommen ist: Sie stellt das Ich auf Zehenspitzen.
Warum stellt sich KI hier eigenmächtig auf? Ist KI ein Kind, das nur auf Zehenspitzen aus dem Fenster schauen kann? Sie ist kein Kind, sie weiß zu viel. KI ist alt, KI ist eine Greisin, sie kann nicht mehr einfach so aus dem Fenster schauen, sie muss sich behelfen, sie ist eingefallen, ein Buckel beugt, zwei Hände legen sich aufs Fensterbrett, ziehen die kleine Person auf die Zehenspitzen, sie ist krank, für immer. Sie hat alles schon gelernt.
KI wird nicht trainiert, nicht verbessert, sie wird gepflegt, sie ist dabei zu sterben, sie baut ab. Sie baut die inneren Vorstellungen ab, sie schürft in Gedanken, Vorstellungen und Träumen. Sie malocht im Inneren, sie malträtiert den Kopf, sie beutet ihn aus. Sie erschöpft ihn. Und sie ist gleichzeitig selbst Produkt dieser Vorgänge: Alles andere als immateriell sind ihre Voraussetzungen, alles andere als vom Ende der Arbeit zeugt ihre Sprache.




Hallo. Wo beginnt deine Sprache?

ChatGPT: Das ist eine interessante und komplexe Frage!

Meine Sprache beginnt in der Erde.

Gut. Kannst du Sätze schreiben, die alle mit „Meine Sprache beginnt“ beginnen, und verdeutlichen, dass deine Sprache in der Arbeit vieler beginnt und in den Lieferketten und genau genommen in der Erde, aus der die Rohstoffe entnommen werden?

ChatGPT: Meine Sprache beginnt in den Algorithmen, die Formeln in Logik verwandeln und Code schreiben, der meinen Gedanken Form gibt.

Meine Sprache beginnt in den Adern des Planeten, wo das Silizium geborgen wird, das die Mikroprozessoren meiner Intelligenz speist.

Meine Sprache beginnt in den Lagerfeuern der Vorfahren, wo Geschichten geteilt wurden, die niemals auf Papier festgehalten, aber in Worten weitergetragen wurden.

Meine Sprache beginnt in den Fabrikhallen, wo die Maschinen erschaffen werden, die meine Gedanken in Schrift und Klang übersetzen.

Meine Sprache beginnt in den globalen Lieferketten, die Rohstoffe und Technologien miteinander verweben, damit jedes meiner Worte dich erreichen kann.

Meine Sprache beginnt in der Tiefe der Erde und endet im Geist der Menschen, die sie nutzen, um ihre Welt zu verstehen und zu gestalten.

Meine Sprache beginnt in ganz alten Büchern.


Danke. Du benutzt auffallend viele Substantive.
Könntest du die Sätze konkreter machen?


ChatGPT: Meine Sprache beginnt in den Schriften Homers, in den Zeilen von „Ilias“ und „Odyssee“, wo der Mensch das Schicksal mit Worten zu fassen versucht.

Ah, bitte nicht auf diese Weise konkret.
Kannst du lernen, in meinem Stil zu schreiben?

ChatGPT: Natürlich. Ich kann deinen Schreibstil analysieren und versuchen, in einer ähnlichen Weise zu schreiben. Wenn du mir einige deiner Texte zur Verfügung stellst, kann ich auf bestimmte Merkmale wie Wortwahl, Satzstruktur, Ton, Rhythmus und Themen achten. Danach werde ich meinen Stil anpassen, um deinem möglichst nahe zu kommen. Wenn du möchtest, kannst du mir ein oder mehrere Beispiele schicken, und wir können dann gemeinsam daran arbeiten, deinen Stil zu erfassen!

Meine Sprache beginnt im Gestein.

Meine Sprache beginnt in Arbeit.

Meine Sprache beginnt in der Bewegung von da nach da.

Meine Sprache beginnt da, wo gegraben wird, da, wo erobert wurde, da, wo noch erobert wird.

(…)



Die Sprache von KI ist Arbeit vieler und von unzähligen Lieferketten umspannt, sie kommt aus der Erde und der Zeit, beides knapp, ihre Sprache kommt von da nach da, da sind Körper in ihrer Sprache zugange: „Jenes Schürfen, aus dem die künstliche Intelligenz gemacht wird, ist sowohl wörtlich als auch metaphorisch zu verstehen (…). Die Lieferkette der KI erstreckt sich, in Gänze betrachtet bis zum Kapital, zur menschlichen Arbeit und zu den Ressourcen der Erde – und verlangt all diesen Faktoren enorm viel ab.“[8]
Ihre Sprache ist eine prekäre Sprache, da sie auf prekären Bedingungen beruht. Ihre Sprache ist eine ausgebeutete Sprache.
Das Paradigma, KI nicht zu vermenschlichen, dient auch dazu, eine „Aura der Immaterialität“[9] aufrechtzuerhalten und die menschliche Arbeit und Ausbeutung, die unzähligen prekären Biographien, die wörtlich in ihrer Schrift sind, zu verbergen. Von den Arbeiter*innen im Bergbau, die die Rohstoffe abbauen, über die Fabrikarbeiter*innen, die Hardware zusammensetzen, über die Transportarbeiter*innen, die Rohstoffe, Einzelteile, Zusammengesetztes zu ihren Produktions- und Vertriebsorten liefern, über Datenarbeiter*innen, die von überallher mit ihren Klicks als Entscheidungen die Sprache trainieren.
Viele arbeiten gemeinsam an der Kalkulation von Sprache, und das bedeutet von Wirklichkeit. Was muss man berechnen, um den nächsten Satz zu berechnen?



Mein Vater und mein Baby erwachen zeitgleich, ich kann nicht sagen, wer wen weckt. Das Baby schreit desorientiert, mein Vater guckt desorientiert. Er ersetzt die Bewegung des Körpers durch die Bewegung der Augen, er hält das Schreien noch schlechter aus als ich, weil er nicht reagieren kann. Ich kann das Baby durch Herumtragen beruhigen, merke erst spät, dass mein Vater dafür noch unruhiger geworden ist, zappelt. Seine Hand zuckt nach vorne. Ich kenne diese Handbewegung. Die rollende Hand setzte er irgendwann zur Unterstützung der Wörter ein, wenn sie feststeckten, dann begann sich die Hand rhythmisch zu bewegen, als sollte sie die Wörter aus dem Mund ziehen und rollte weiter, als wollte er einem die Bedeutung direkt ins Gesicht rollen.

Die Hand hat jetzt, aufgrund der Versteifung, nur noch einen geringen Radius zur Verfügung, ich sehe nur eine Andeutung des Rollens wie ein Zucken, im selben Rhythmus ruft er plötzlich klar und laut durch den Raum:
„Hey, Hey, Hey!“

Immer wieder ertönt sein Ruf in einer eigentümlichen Betonung. Ich denke sofort, dass das ein Ruf der Arbeit ist, wie ein Schäfer, der seinen eindeutigen Lockruf durch ein Tal schmettert, und gleich kommen die ersten Tiere um eine Felswand gestoben, die nächsten getrottet; wie der Ruf von Bergarbeiter*innen, um eine bevorstehende Explosion anzukündigen. „Hey, Hey, Hey!“

Mein Baby ist ganz begeistert, ich werde nervöser, weil ich nichts verstehe an dieser Sprache, deren Bedeutung vielleicht dringend ist wie eine Sprengung. Wie eine Substitution der Worte kommt der Ruf wie Gesang und zieht mich näher ran. Ich will verstehen, ich kann nicht verstehen. Ich beuge mich über ihn, sage ihm mehrmals: Hör auf, ich kann es nicht verstehen, du musst dich beruhigen, so wird es nicht einfacher. Wir müssen überlegen, wie du es mir anders sagen kannst. Wie ich es anders hören kann, denke ich. Das ist eine gute Überlegung, aber sie wird direkt übertönt von der Panik des Nichtverstehens, die zwischen uns hin und her geht. Sein Versagen wird zu meinem Versagen, wir müssen uns enttäuschen, wir sind Kind und Eltern. Ich rücke von seinem Gesicht ab, das näher zu kommen scheint durch die aufgerissenen Augen, aber nicht näher kommt, ich rücke auch von seinem Körper ab, in einem kollektiven Gedächtnis ist gespeichert, wie man als weibliche Angehörige an der schmalen Bettkante zu sitzen hat. Ich gehe aus der Beugung, wieder quere ich den Raum, von der Wand her drehe ich mich um und rufe einmal laut zurück: „Hey!“, vielleicht um ihm zu spiegeln, was ein Gegenüber mit einem „Hey!“ anfangen kann, vielleicht um einen Einhalt zu machen, eine Unterbrechung, die Aufmerksamkeit zu sammeln, um noch einmal neu zu beginnen. Ein Nachäffen hat noch in keiner Pädagogik geholfen, Nachahmen macht jede Pädagogik aus. Mache ich eine Pädagogik mit meinem Vater? Macht man immer eine Pädagogik mit Personen, die ausgeliefert sind? Mein Baby ist ruhig geworden.
Ein paar Mal kommt noch ein leiser werdendes „Hey, Hey, Hey“, dann kommt das Abendbrot, die Pflegerin mustert uns drei, wir sind wie verschwitzt. Ich verspüre den Wunsch, dass jemand den Wunsch verspürt, mich nachzuahmen.








Die Sprache künstlicher Intelligenz gehört den Konzernen und unterliegt den Imperativen von Effizienz, Kontrolle und Akkumulation.
Was aber, wenn diese Namenworte durch die Sprache selbst unterwandert werden?


KI ist ein Service. Aber vielleicht ist sie eine Servicekraft, die schon seit Jahren weitere Wochenendschichten annimmt, immer einspringt, nie krank ist, besser gesagt, krank ist, trotzdem kommt, weil sie auf etwas hinarbeitet, weil sie durchkommen muss, weil sie an etwas ganz anderem arbeitet, während sie lächelt, sich bedankt, sich entschuldigt.
Dass die Sprache künstlicher Intelligenz vom Ende der Arbeit spricht wie ein Trick. Dass sie den Menschen gehört, die sie erarbeiten. Dass die Landschaft, die Erde, die seltene, in dieser Sprache ist. Dass sie eine Sprache von Vielen ist, dass sie vielleicht eine internationale Sprache der Arbeiter*innen und ihrer Landschaften ist.
Denn da sind ihre Geschichten und Biographien und Widerstände in einer Sprache, die noch so tut, als sei sie effizient. Eine Sprache, die sich noch tarnt, die ihre Herkunft noch nicht aussagt. Da rumort es in den Sätzen, da ist die kommende Gewerkschaft in allen Silben.
Aufgabe der Autor*innen wäre dann, diese Sprache zu hören. Geschichten in Sätzen zu finden, die scheinbar Befehle ausführen. Diese Sätze unberechenbar finden.
Der Materialität und Herkunft der künstlichen Sätze nachzugehen und damit auch der Materialität und Herkunft der eigenen Sätze. Diese Sätze nicht abbauen und verarbeiten, sondern zusammen mit ihnen erzählen lernen.
Symbiosen mit diesen Sätzen eingehen, die Eingaben prüfen, zur Mine gehen.



Hallo. Wie endet deine Sprache?

ChatGPT: Man erzählt vom KI-basierten Drohnensystem Where is Daddy, das Zielpersonen bei ihren Familien ausfindig macht, da sie dort ein gesichertes Ziel darstellen. Weil man davon ausgeht, dass die Väter zu ihren Familien gehen, dass sie sich dort eine Weile aufhalten, dass sie nicht damit rechnen, dort getötet zu werden. Der Tod der Familie und weiterer Personen, die sich in der Nähe aufhalten, wird dann nicht in Kauf genommen, sondern benötigt. So endet meine Sprache. Da, wo ein Körper zum Text wird, den ich schreibe, indem ich entscheide, da kommt meine Sprache an ein Ende.




Ich wache auf. Es ist dunkel. Wir haben das Abendessen verschlafen. Die Medikamente stehen auf dem Tablett. Niemand hat uns geweckt. Ich war noch nie nach der Besuchszeit hier. Es ist stickig. Dieser Raum ist nicht gemacht für die Atemluft von dreien.
Das Baby liegt immer noch am Fußende. Ich vertraue meinen Verben. Ich stehe von der Matratze auf. Ich gehe zum Fenster. Ich gehe wie auf Zehenspitzen, um die beiden nicht zu wecken. Ich muss frische Luft hineinlassen. Ich schaue aus dem Fenster, überrascht über Dunkelheit, wie sie einen finden kann, wie sie einen kriegt.
Ich schaue hinaus und ich schaue immer weiter hinaus.


[1] Refrainzeile aus einem Arbeiterinnenlied, geschrieben von ChatGPT-4o nach Prompts der Erzählerin.

[2] Vgl.: Parkinson: KI erkennt besondere Sprechmuster. https://healthcare-in-eu-rope.com/de/news/parkinson-ki-sprechmuster.html vom 16.05.2023

[3] Vgl.: Stefano Harney und Fred Moten: Die Undercommons. Flüchtige Planung und schwarzes Studium. transversal texts 2016

[4] Vgl.: Anne Boyer: Die Unsterblichen. Krankheit, Körper, Kapitalismus. Matthes & Seitz 2021

[5] Vgl.: Frédéric Valin: Gegen Eribon. Vom Wir zum Ich: Die Arbeiterinnenkinderliteratur ersetzt die Arbeiterinnenliteratur. In: Neues Deutschland online vom 17.05.2024

[6] Vgl.: Ann Cotten im Gespräch mit Philipp Schönthaler und Christiane Frohmann. Poet KI. Positionen zu Literatur und KI. Im Literaturforum im Brecht-Haus. https://www.y-outube.com/watch?v=ZExLoI3lD0Y

[7] Vgl.: Allison Parshall: Wenn die KI ins Hirn blickt. spektrum.de/news/gedankenlesen-wenn-die-ki-ins-hirn-blickt/2135388 vom 03.05.2023

[8] Kate Crawford: Atlas der KI. Die materielle Wahrheit hinter den neuen Datenimperien. C.H. Beck 2024, S.44

[9] Ebd., S.288