Fiona Sironic
Wdh.: Kein Memo an mich
1.
Summen
Termin um zehn, bitte zehn Minuten früher da sein.
Im Treppenhaus kommt mir wer entgegen, der sich den Schal ins Gesicht zieht.
„Bitte kurz Platz nehmen“, Rücken zum Fenster – jetzt kein Wetter!
Warum stellt der seine Fachbücher ins Wartezimmer, können die nicht in der Abstellkammer triggern?
Als Kinder haben wir gegen alles getreten, das sich dazu eignete. Tennisbälle, zZerknüllte Alufolie, Patricks Schlüsselbund, gefrorene Amseln.
Summen
Chatte mit deiner Verbindung!
„Sie haben ja in der Zeit große Fortschritte gemacht.“
Fensterblick: draußen Wetter.
Der Mann, grauer Strickpulli, aber nicht so bauer wie ich, eher Hilfiger, Bootsschuhe . Wenn ich zu spät absage, kriegt er 80 Euro von mir, die steckt er sich in seine Bootsschuhe, aber ich kanns ihm nicht übel nehmen. Der Mann hat einen Katalog Not Frequently Asked Questions zur Hand, die ich Woche für Woche gewissenhaft beantworte(/te): Wie würden sie ihre aktuelle Symptomatik beschreiben / Wwann tritt sie auf / Wwann trat sie zuerst auf / hHaben sie Freunde / Verwandte/ Bekannte / Vertraute, mit denen sie über ihre Probleme sprechen (können) / wWenn ja, nennen sie mind. Einen!
/ Schreibe deinem Match etwas Lustiges.
Ob ich noch Fragen habe? „Also, was ich noch fragen wollte, was mir wichtig wäre, wenn ich jetzt irgendwann mal wieder einen Notfall erlebe, aber natürlich nicht vor Ort bin, kann ich mich dann trotzdem, jetzt per Mail oder telefonisch oder so, an Sie wenden, also, oder, gibt es da ein Netz, können Sie mir dann jemanden da empfehlen, ich weiß ja nicht, wo ich in einem halben Jahr lande, jemanden da, wo ich grade bin, wenn ich wieder einen Notfall erlebe, wissen sie, davor habe ich Angst“, das ist sehr weise.
2.
Den Schlüssel finde ich im Blumentopf.
Ich habe mich gefragt: Sseit wann bin ich verreist? Das habe ich seitdem ständig. Atem paffen. – Wer stellt hier seine Sohlen jetzt noch gegen die Wand, bzw. Wie oft muss ich deine Blumen gießen?
Summen/Summen/Summen – Schrillen
Einmal morgens die Augen aufreißen mit einem spitzen Pinsel. Die Lider mit Edelmetallen bestreichen – Ich kaufe einen teuren Lippenstift und stelle erst im Zuhause fest, dass er kaum dunkler ist als meine Lippen - nude töne klingen / schaben. Zuhause nur auf Zeit.
Manchmal wache ich auf, schwarze Ringe, rote Wangen, goldene Zähne, und denke: Deutschland.
Ich tropfe mich ein bisschen in die Ecke. Reiße meine Wimpern dunkel auseinander und rubbel mir die Augen rot. Ich male mir das Weiße darin manchmal weißer, weil der Rasen auf der anderen Seite des Zauns immer grüner ist. Ich drehe den Hahn auf. Das erfordert Kraft.
Neben dem Spiegel hängt ein Foto, auf dem ich nicht mit drauf bin. Ich fasse es an. In der glatten Oberfläche sehe ich, wie mir der aufgekratzte Pickel das Kinn runterläuft. Ich trockne mir den Kopf. Ich drücke die Klinke.
Die Tür schleift am Boden. Ich werde das auf einem gelben Zettel notieren:
Das hier ist kein Memo, wdh. kein mMemo an mich!
Es geht dabei um zu große oder zu kleine Töpfe.
Wie sauber willst du den Boden, von dem du isst, denn haben?
Ich möchte gerne raus.
Das ist sehr bestimmt.
Ich möchte gerne einkaufen gehen und diese positive soziale Interaktion erleben.
Ich möchte frische Luft, d.h. nicht immer nur den der/des Sonstbewohnenden, auch meinen eigenen Atem wieder mal so richtig inhalieren und danach ein Sauerstoffhigh wie im Flugzeug. Wo ist hier der Erste-Hilfe-Kasten / Wwo sind die wichtigen Unterlagen / Wwo hast du den Mop hingetan? Ach, schon okay, gefunden.
Ich habe mich gefragt: sSeit wann bin ich verreist? Das habe ich seitdem ständig.
Ich habe darüber nachgedacht, das Zimmer zu streichen, dann war's ein lohnt sich nicht.
Ich hätte gerne ein paar Nasen in die Wand gelaufen.
Ich versuche den Baum zu gießen, aber die Blätter tropfen schon und ich stelle mir den/die Sonstbewohnende vor, wie eine Katze, die Mäuse / in diesem Fall Bäume / Blumen / Zimmerpflanzen nur zum Spielen mit reinnimmt. Der Deal ist ja der selbe, solange es saftig ist, gebe ich ihm noch einen Stups.
Ich lasse warmes Wasser in einen Plastikeimer laufen und gebe Zitronenreiniger dazu. Atem paffen. Ich fahre mit den Fingern an allen Fliesen entlang.
Der/die Sonstbewohnende ist mobiltelefonisch nicht erreichbar – hahaha / ich wische festgetretene Zwiebeln nach rechts und warte, ob sie zuerst schreiben.
Summen.
Was machst du
3.
Ich will einkaufen gehen.
Ich will einkaufen gehen und diese positive soziale Interaktion erleben, im Penny nebenan. Das geht soweit gut: Ich komme an, ich habe mich in den Öffnungszeiten geirrt: In weniger als fünf Minuten wollen sie schließen, d.h. ich renne durch den Laden.
Ich schmeiße meinen Billigwein, die Blättchen, die Tomaten aufs Band, ich entschuldige mich. Ich entschuldige mich zweimal. Die Frau lächelt. Das geht soweit gut: Sie sagt: „Kein, Problem, ist ja noch offen. Die Chefin kauft grad selbst noch ein“, ich entschuldige mich „sorry“ – „Machn se sich keinen Kopp“: Aus Lehm einen Ball formen. Aus Lehm einen Ball formen und mit Zahnstochern Nasenlöcher reinstechen und aufs Band schmeißen.
Summen
und jetzt?
Ich zahle. Alles ist gut. Ich gehe zur Tür, die Tür geht nicht auf. Der Bewegungsmelder ist schon deaktiviert, die Frau ist grad weiter hinten, im Laden, die Chefin kauft grade selbst noch ein -
Summen
Kann ich rumkommen?
Ich zähle beim Atmen bis vier und bis vier und bis vier und bis vier, ich denke über den Wassergehalt von Tomaten nach, ich denke an einen Kinderfilm, da essen die Tomaten das Kind. War ein FSK-Skandal, aber ein Junge war clever: er war in der Wüste, er hatte Durst und irgendwo lag diese Tomate, der Wassergehalt von Tomaten, der wird mir nicht über die nächsten – iIch zähle bis vier ich zähle bis vier ich zähle bis vier ich zähle bis vier: Wischen. Frischluft paffen. Jeder mag doch Happy Ends?
Summen
Und jetzt?
Ich ziehe die Jalousien, die mit Edelmetall belegten, vor den Augen runter.
Grad nicht.
2.
Summen/Summen/Summen – Schrillen
Ich reiße die Wimpern auseinander, ihr zwei. Als Kinder haben wir gegen alles getreten, das sich dazu eignete: Tennisbälle, zerknüllte Alufolie, Patricks Schlüsselbund, gefrorene Amseln, Patrick.
– Summen – Manchmal habe ich so Sollbruchstellen in den Haaren, das sieht dann aus wie Insektenbeine.
Ich habe die Edelmetalle auf meinen Lidern liegen lassen. Da ist was.
Da schiebt sich ein, da schabt Schlüssel- an Schlossmetall, ich muss aufstehen. Ich komme hoch. Ich wische mir das Weiße aus den Augen und komme in den Flur, da steht der/die Sonstbewohnende, da stehe ich.
Sier umarmt mich, es ist jetzt, manchmal hat man das ja, grade wenn man eben noch die Augen zu, manchmal versteht man ja nicht viel. Ich denke an ausgemachte Termine. Ich habe mich gefragt, seit wann bin ich verreist? Sier kann das beantworten, Sier ist etwa eine Woche vor meiner Ankunft abgereist, aber es war nicht schön da, deswegen jetzt hier, wir können uns gerne noch ein paar Tage teilen.
Aus der Reisetasche guckt mich eine gläserne Amsel an, die ich kurz danach in den Baum gesteckt finde, als sei das hier Draußen, so richtig, mit Vögeln.
Als Kinder haben wir gegen alles getreten, das sich dazu eignete, also Sohlen gegen die Wand Bambambam. Kann ich dein Ladegerät haben? Ich nicke, ich reiche weiter.
Mir ist noch nie die Decke auf den Kopf gefallen. Also, nie wirklich. Nur manchmal. Manchmal starrt mich die Amsel so an.
Ich habe mich gefragt: seit wann bin ich verreist? Das habe ich seitdem ständig.
„Und, wie ist Ihr Verhältnis zu Ihren Mitmenschen? Jetzt, allgemein gesprochen.“
Als Kinder haben wir gegen alles getreten, das sich dazu eignete. Tennisbälle, zerknüllte Alufolie, Patricks Schlüsselbund, gefrorene Amseln. Einmal, weiß ich noch, war ich unmittelbar danach bei einem Arzt. Ich musste geometrische Formen aus der Hand zeichnen, mein Gesicht ist mir runtergefallen, da waren da noch gar keine Edelmetalle drauf.
Sier macht Kaffee. Ich sage Kaffe, sier Café, ich kommentiere da nicht weiter rum, habe ich gelernt. Die Tasse aus der Vogelperspektive ein Kreis, im Kaffeesatz gibt es Gezeiten. Mir fällt das Gesicht nicht schon wieder runter, wenn sier nachflutet .
Summen.
Als Kinder haben wir alles getreten, jetzt genauso nur größer: Bambambam die Sohlen gegen die Tür.
Sier schüttelt das Haupt. Miete? „Ja, fuck!“
Mit dem Schlüssel das Metall von den Lidern kratzen, geht doch so nicht, ich meine: iIch gucke alles durch. Hosentaschen, Jackentaschen, Beutel, der Bewegungsmelder ist deaktiviert, oder?
Ich ziehe was hoch, das ist kein Vorhang mehr.
Wenn du bei deiner Ankunft eine gläserne Amsel in den Raum stellst, muss sie bis zur Abreise zertreten sein, oder? Ich schütte den CAFÉ in die Spüle.
„Du ich hab dir auch ne Karte geschickt.“
Ich geh nicht an mein Postfach.
„Und was heißt das jetzt für sie?“
Ich mache die Tür zu. Ich trete dagegen. Ich mache die Vorhänge zu. Ich fasse alles an. Ich tropfe mich in Zimmerdecken eingewickelt durch den Billigwein. FAQ markieren: Delete. Ich stimme nicht mit den AGB, ich meine: habe nie einen Vertrag gelesen / unterschrieben / ein Häkchen in siehn gesetzt.
Irgendwo gibt es ein
Summen.
Alles okay? Von hinten ins Platinengehirn.
„Du hast mein Ladekabel (kaputt gemacht)“, hört sier nicht mehr. Ich habe eine halbvolle Flasche Wasser in meinem Zimmer, ich habe Durst, sier hat Tomaten gegessen.
Ich zieh was hoch, das sind Schultern, das ist Rotz, kein Wasser, das ist kein Vorhang mehr, das ist ein Fort. Ich kratze den Zimmerschlüssel ins Loch. Da ist eine gläserne Amsel, die liegt wirklich da! Ich fixiere Blenden im Fenster und bin ein Schneekugelzoom. Ich bin irgendwie müde, ich reibe das Weiße tiefer. Ich will die Amsel –
Jetzt kein Wetter!
Das Wasser ist leer. Seit wann bin ich verreist?
Ich ziehe mir den Schal aus dem Gesicht.
Summen
Wetter.